Fernverkehr
Die BLS will dem Schweizer Bahnsystem neue Impulse liefern
Der Bund möchte den Schienenverkehr weiter fit für den Wettbewerb machen und teilweise öffnen. Die BLS hat sich im September 2017 für eine Konzession im Fernverkehr beworben und will mit einem neuartigen RegioExpress-Netz das ÖV-Angebot weiterentwickeln.
Im Oktober 2017 hat der Bundesrat einen Bericht veröffentlicht, in dem er eine vorsichtige Weiterentwicklung des Schienenverkehrs ankündigt. Im Güterverkehr wurde eine Liberalisierung vor einiger Zeit erfolgreich eingeführt. Mit dem Auslaufen der nationalen Fernverkehrskonzessionen im Personenverkehr soll nun auch das bisherige Monopol der SBB in diesem Bereich teilweise aufgehoben werden. Dabei verfolgt der Bundesrat das Ziel, das Schweizer Bahnsystem mit dosiertem Wettbewerb zu beleben. «Wir unterstützen dieses Bestreben», bekräftigt BLS-Verwaltungsratspräsident Rudolf Stämpfli. «Eine aus mehreren unabhängigen Konzessionären bestehende Bahnlandschaft ist innovativer und für die öffentliche Hand wie für die Reisenden von grösserem Nutzen als ein einziger Anbieter ohne Herausforderer im Markt.»
Kleinere Anbieter wie die BLS sind beweglich und einfach in der Lage, neue Produkte und Prozesse zu testen, die anschliessend dem Gesamtsystem Impulse geben können. Den Bestellern – Bund und Kantone – eröffnen sich ausserdem Vergleiche zwischen verschiedenen Anbietern und Wahlmöglichkeiten, um für die Fahrgäste die besten Angebote in punkto Preis und Leistung einzusetzen.
«Das Schweizer Bahnsystem funktioniert deshalb so gut, weil alle beteiligten Unternehmen sehr eng zusammenarbeiten. Wettbewerb ist nur sinnvoll, wenn er das Gesamtsystem verbessert und den ÖV in der Schweiz voranbringt.»
Halbstündliche RegioExpress-Verbindungen
«Das schrittweise Vorgehen zur Marktöffnung hat sich in den Vorbesprechungen mit dem Bund in den letzten Jahren abgezeichnet», betont CEO Bernard Guillelmon. «Deshalb waren wir bereit, als uns das Bundesamt für Verkehr Anfang 2016 einlud, eine Konzession für Fernverkehrslinien zu beantragen.» Im September 2017 hat die BLS ein Gesuch für fünf Linien im nationalen Fernverkehr eingereicht (siehe Grafik). Ihr Konzept trägt sowohl dem etappierten Vorgehen des Bundes Rechnung als auch der angestrebten Vergleichbarkeit und Weiterentwicklung von Serviceangeboten und Kostenstruktur.
Die im Konzessionsgesuch beantragten Linien fügen sich ideal ins bestehende Regionalverkehrsnetz der BLS ein. Das Konzept sieht vor, alle Zentren der Hauptstadtregion sowie die umliegenden Kantonshauptstädte im Halbstundentakt zu verbinden. Dank optimierter Zugumläufe und neuen Liniendurchbindungen resultieren daraus für die Fahrgäste bessere Verbindungen und für die BLS eine Verteilung der Fixkosten auf mehr Zugkilometer. Kurz: Erhält die BLS im Sommer 2018 den Zuschlag im beantragten Umfang, kann sie ihr Einzugsgebiet gezielt erweitern, partizipiert am prognostizierten Wachstum im öffentlichen Verkehr und schöpft ihr betriebseigenes Potenzial besser aus.

BLS braucht eigene Konzession
Doch der Wettbewerbsgedanke im öffentlichen Verkehr hat aus Sicht der BLS klare Grenzen. «Das Schweizer Bahnsystem funktioniert deshalb so gut, weil alle beteiligten Unternehmen sehr eng zusammenarbeiten», hält Bernard Guillelmon fest. «Wettbewerb ist nur sinnvoll, wenn er das Gesamtsystem verbessert und den ÖV in der Schweiz voranbringt.»
Wegen diesem Fokus auf das Gesamtsystem zieht die BLS auch kein Fuhrhaltermodell in Betracht, wie schon vorgeschlagen wurde, bei dem sie Leistungen im Auftrag Dritter erbringen würde. Nur mit einer eigenen Konzession habe die BLS die Möglichkeit, ein nachhaltig attraktives Angebot für die Kunden zu schaffen, betont der CEO. Anders als das S-Bahn-Netz, dessen Umfang von den Kantonen bestellt und abgegolten wird, ist der Betrieb des Fernverkehrs eigenwirtschaftlich. Die Erträge daraus ermöglichen der BLS beispielsweise, Investitionen in neue Züge oder Servicekonzepte ohne Zusatzbelastung der Steuerzahler zu tätigen.
«Eine aus mehreren unabhängigen Konzessionären bestehende Bahnlandschaft ist innovativer und für die öffentliche Hand wie für die Reisenden von grösserem Nutzen als ein einziger Anbieter ohne Herausforderer im Markt.»
Gleich lange Spiesse schaffen
Bereits heute bringt das Passagieraufkommen wichtige Zugverbindungen in der Schweiz an ihre Kapazitätsgrenzen. Gemäss der aktuellen Prognose des Bundes kommen bis 2030/35 auf einzelnen Strecken bis zu 50 Prozent zusätzliche Fahrgäste dazu. Die Zunahme entsteht durch das Bevölkerungswachstum und grundsätzliche Veränderungen im Mobilitätsverhalten. Vor allem der ÖV in den Ballungsgebieten wird eine Antwort auf die neuen Mobilitätsbedürfnisse liefern müssen. Konzepte mit Effizienzsteigerungen, wie es die BLS für den Grossraum Bern entwickelt hat, bieten sich dafür an.
Als zweitgrösste Bahn der Schweiz will die BLS den öffentlichen Verkehr auch künftig mitgestalten und Mehrwerte für Kunden und Besteller schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse jedoch eine echte Chancengleichheit für alle Marktteilnehmer bestehen, erklärt Bernard Guillelmon: «Ins Gewicht fallen beispielsweise Unterschiede bei der Kapitalbeschaffung für Investitionen, die wir für Rollmaterial im Fernverkehr via den normalen Kapitalmarkt vollziehen müssen – ohne dafür Bundesbürgschaften zu erhalten.» Verwaltungsratspräsident Rudolf Stämpfli ergänzt: «Für die BLS ist klar: Wenn der Bund eine gewisse Liberalisierung im Schweizer ÖV nachhaltig gestalten will, muss er für gleich lange Spiesse aller heutigen und künftigen Marktteilnehmer sorgen. Wir bereiten uns auf jeden Fall darauf vor, weiter zu einer positiven Entwicklung des hervorragenden ÖV-Angebots in der Schweiz beizutragen.»