Streckensperre in Rastatt

«Wir haben für jeden Güterzug unser Bestes gegeben»

BLS Cargo wurde im Herbst 2017 mit einer Herkulesaufgabe konfrontiert: Wegen einer ­Gleis­absenkung auf der Rheintalstrecke bei Rastatt war der Nord-Süd-Transit während Monaten gesperrt. Das agile BLS-Tochterunternehmen hat die Krise besser gemeistert als andere Bahnen.

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Die Gleise haben sich abgesenkt: Wegen eines Unfalls bei der Baustelle des Rastatt-Tunnels war die Rheintalstrecke während Monaten gesperrt.

Dirk Stahl, Chef von BLS Cargo, geniesst den freien Samstag am 12. August 2017. Auf einmal piepst sein Handy: Im deutschen Rastatt haben sich die Gleise, die über eine Tunnelbaustelle führen, abgesenkt. Mehrere Güterzüge fallen aus. Dirk Stahl bleibt ruhig – obschon mit der Rheintalstrecke die Hauptschlagader des europäischen Schienengüterverkehrs gesperrt ist. Zum Glück ist Sommerferienzeit, denkt er. Da verkehren weniger Züge.

Ein paar Tage später die Schreckens­meldung: Der Unterbruch dauert zwei Monate, bis in den Oktober hinein, wenn das Güterverkehrsvolumen längst wieder kräftig angezogen hat. BLS Cargo fährt dann pro Woche 400 Züge im Nord-Süd-Transit; von der Sperre sind 140 Züge betroffen, also gut ein Drittel.

«Die Rastatt-Sperre konnte nur durch den ausserordentlichen Einsatz der Mitarbeitenden bewältigt werden.»

Dirk Stahl, CEO BLS Cargo
Stündliche Telefonkonferenzen

Die Mitarbeitenden bei BLS Cargo stehen vor einer Herkulesaufgabe. Beinahe stündlich finden Telefonkonferenzen statt, die Fahrplanspezialisten erstellen Notfallpläne. «Wir haben für jeden Güter­­zug unser Bestes gegeben und versucht, den Kunden möglichst genau zu sagen, wann sie ihre Waren mit Verspätung erhalten», sagt Dirk Stahl Monate später. «Auf eine solche Krisensituation kann sich kein Unternehmen vorbereiten», betont der Chef. «Doch wir haben gute Strukturen, flache Hierarchien und flexible  Mitarbeitende, die bereit waren, ausserordentlichen Einsatz zu leisten.»

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Schon nach wenigen Tagen kann BLS Cargo die Hälfte der durch die Rastatt-Sperre betroffenen Güterzüge über verschiedene Ausweichrouten (rot) lenken. Der neue Partner SNCF Logistics unterstützt BLS Cargo bei der Umleitung von Zügen über Frankreich.
Umleitungen über Frankreich

Die Netz AG der Deutschen Bahn schlägt Ausweichrouten vor. Allerdings sind Teile der Ersatzstrecken über Singen aufgrund von Bauarbeiten nur mit Diesel­lokomotiven befahrbar. Zudem müssen die Einsatzpläne neu gestaltet und die Lokführer und Loks zur richtigen Zeit an die rich­tige Stelle in Europa gebracht werden.

Schnell hat BLS Cargo die Idee, Züge auch über Frankreich umzuleiten. Glücklicherweise trägt die neue Partnerschaft mit SNCF Logistics bereits Früchte: Die Franzosen helfen mit Loks und Lokführern aus. «Diese Krise hat SNCF und BLS näher zusammengebracht», betont Stahl.

Verständnisvolle Kunden

So können die Hälfte der ausgefallenen BLS-Cargo-Güterzüge nach wenigen ­Tagen wieder fahren – zu einem Zeitpunkt, da sich andere von der Sperre ­betroffene Bahnunternehmen noch immer schwertun. Für die restlichen Züge konnte BLS Cargo den Kunden während der Zeit des Unterbruchs aufgrund der fehlenden Infrastrukturkapazitäten und Lokführerengpässe keine Lösungen anbieten. Gemeinsam mit den Kunden wurden deshalb die Züge priorisiert. Doch BLS Cargo hat deswegen keine empörten Kunden erlebt. Sie haben verstanden, dass das Unternehmen die schwierige ­Situation hervorragend meistert.


BLS-Vorschläge stossen international auf Anklang

Eine Krise vom Ausmass der Rastatt-Sperre soll im ­europäischen Schienengüterverkehr nie mehr passieren. ­Deshalb hat BLS Cargo entsprechende Vorschläge ­vorgebracht.

Die Rheintalstrecke verbindet Industriegebiete im Süden und Norden Europas. Ein Ausfall auf dieser oder ähnlich wichtigen Verbindungen bringt den euro­päischen Güterhandel an den Rand eines Kollapses. Das will BLS Cargo künftig verhindern.

Deshalb hat die BLS-Tochter folgende Ideen für den internationalen Bahngüterverkehr formuliert:

  • Bei wichtigen Baustellen auf den ­Güterkorridoren müssen Alternativkonzepte und -kapazitäten bereit­gestellt sein.
  • Die Baustellenplanung muss harmonisiert und international abgestimmt werden.
  • Die Nord-Süd-Korridore sollen ­konsequenter international geführt werden. Momentan hat jedes Land ­eigene Regeln bezüglich Zuglängen, zulässigen Höhen und Gewichten.
  • Einheitliche Anforderungen an Loks und Lokpersonal: Englisch soll
    zur offiziellen Zweitsprache werden, um Verständigungsprobleme zu ­verhindern.
  • Sukzessiver Ausbau der Bahninfrastruktur auf den Güterkorridoren Rhein-Alpen und Nordsee-Mittelmeer, um Redundanzen aufzubauen.

BLS Cargo hat diese Vorschläge an internationalen Podien verbreitet – und hat damit ein positives Echo ausgelöst.

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Es dauerte zwei Monate, bis die Gleisschäden in Rastatt behoben waren.

Wer bezahlt den Schaden?

Umsatzeinbussen und Zusatzkosten für Zugsumleitungen während der Rastatt-Sperre belasten die Jahresrechnung von BLS Cargo mit rund zwei Millionen Franken. Das Unternehmen ist dabei auch mit Schadenersatzforderungen von Kunden konfrontiert.

BLS Cargo gibt diese Schadenersatzforderungen weiter und stellt eigene Schäden ebenfalls in Rechnung. Doch sie kann dafür nicht direkt bei der Netz AG der Deutschen Bahn (DB Netz) Regress nehmen, weil sie mit diesem Unternehmen keinen Vertrag abgeschlossen hat. Deshalb ­meldet BLS Cargo ihre Forderungen über Partner-Eisenbahnverkehrsunternehmen an, die in einem direkten Vertragsverhältnis mit DB Netz stehen.

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Finanzielles Ergebnis

Kenn- und Leistungszahlen

Kennzahlen

Konzernergebnis

14'989TCHF

-3,9%

Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT)

26'470TCHF

-4,7%